Persönliches

Ökologische Spiritualität:
individuelle Autonomie und universale Verbundenheit (2013)
Der freie Mensch – Autonomie und Verantwortung
Vortrag während der Goldegger Dialoge

Innere Umwelt – Versuch einer ökologischen Spiritualität (2000)

Wenn das Great Chief Seattle gesehen hätte: Die Autobahnen wachsen nach Osteuropa, in China sprießen die Fabriken, Hochspannungsleitungen durchziehen den Regenwald. Die industrielle Landschaftsverformung globalisiert sich (rechtzeitig, bevor das Öl ausgeht). Die Materialflüsse schwellen an, Städte wuchern ins Umland. Der ökologische Fußabdruck der Industriegesellschaft nimmt Elefantengröße an.

Doch Material allein macht nicht glücklich. Angstzustände, Allergien, Depressionen und Vereinsamung wachsen parallel zum BIP. Mitunter sogar Arbeitslosigkeit und Armut. Gerade dann heißt es umso lauter: Wachsen. Noch schneller als bisher. Damit die Arbeitslosigkeit zurückgeht, damit Umweltschutz leistbar wird, damit der Euro gegenüber dem Dollar nicht ins Bodenlose fällt.

Und selbst drei Prozent Wirtschaftswachstum werden allmählich fad, das wahre Fieber verlagert sich auf die Börsen und ins Internet, dort liegt die Zukunft und der Profit. Doch während wir gebannt auf den Bildschirm starren, entgeht uns nicht nur, was „draußen“ vor sich geht, sondern auch, was sich in uns drinnen abspielt.

Schade, weil: Umweltschutz beginnt im Herzen. Vorausgesetzt, Gott sitzt drinnen. Das haben wir sehr lange gehört, aber kaum verstanden. Denn Gott wohnte der Landmeinung zufolge im Himmel. Diese Auslagerung hat uns nicht nur unserer Göttlichkeit beraubt, sondern auch ein physisch-hierarchisches Autoritätsverständnis zementiert: „Er“, der Allmächtige, dort „oben“.

Wenn wir nun Gott nicht länger als kreative Person im Dachatelier begreifen, sondern als allen Erscheinungen immanentes Schöpfungsprinzip, dann bedeutet dies, dass Gott in jedem und jeder von uns wohnt, in allen Wesen und Dingen – Gott ist dann überall. Das geht als Prinzip oder Geist leichter denn als Person, weil da müsste Er sich vielteilen.

Diese Sicht ändert einiges: Zum Beispiel findet die Gottsuche nicht außen, sondern innen statt. Gott „von Angesicht zu Angesicht“ schauen bedeutet dann, sich selbst zu erkennen, wie es die moderne Psychologie als verlässlichsten Weg zu Glück und Zufriedenheit empfiehlt. Carl Gustav Jung etwa meinte: „Der Sinn des Lebens ist, so zu werden, wie wir sind.“ Auch Ödön von Horwaths Bonmot: „Eigentlich bin ich ganz wer anderer, nur komme ich nie dazu“, spielt auf eine unterlassene Gottsuche in diesem Sinn an. Gott zu finden bedeutet demnach, sein natürliches Potential als Mensch zu erkennen und zu entfalten und es nicht, wie das so oft der Fall ist, durch unnötige Schranken zu behindern: Durch Verdrängungen in der emotionalen Entwicklung; durch Vernachlässigung in der leiblichen Entwicklung; durch ein Übergewicht des Intellekts in der geistigen Entwicklung. Zu letzterer gehört eine stille, aber wache Verbindung zu allen Mitwesen, ein gewisses „Online-Gehen“ in der einzig wirklich immateriellen Kommunikation.

Um diese Kommunikation soll es hier gehen. Gehen wir „online“, nehmen wir intuitiv Kontakt mit dem Vogel, dem Fels oder der Eiche auf, es findet so etwas wie eine gegenseitige Bestärkung statt, man kann es auch Liebe nennen, die aus der gegenseitigen Wahrnehmung, gegenseitigen Achtung und dem wechselseitigen Sich-Erfreuen am jeweils anderen erwächst: Das Energie-Niveau aller Beteiligten steigt an. (Eine Eiche kann auch als Heizressource oder gar als Weghindernis für die „freie Fahrt“ betrachtet werden.) Geht man noch einen Schritt weiter, kann man das Ansteigen des Energie-Levels als „Ernährung“ ansehen, zumindest in dem Sinne, dass unser Bedürfnis nach „Erleben“ und Ästhetik, aber auch nach sozialem Austausch in Form der beschriebenen Kommunikation gestillt wird. Dann gesellt sich zur „Liebe“ Dankbarkeit und – zwangsläufig – eine Art Tötungshemmung gegenüber dem Kommunikationspartner Eiche, Fels oder Vogel. Weiter gefasst: gegenüber der Natur, dem Planeten, der Lebens- und Ökosphäre.

Charakterskizze des autoritär erzogenen Österreichers (1997)

Ehe wir der autoritären Erziehung verlustig gehen, möchte ich ihr ein Denkmal, oder besser Mahnmal setzen, indem ich mich an den Versuch heranwage, ihr trauriges Opus, den „selbst-losen“, gehorsamen, naturentfremdeten und innerlich leeren Menschen in seinen grundlegenden Wesenszügen zu beschreiben. Wenn auf der Reise durch seine Seele en passant tiefe Wurzeln von Krieg, Umweltzerstörung und männlicher Machtsucht freigelegt werden, dann ist das nur willkommen, zumal die an der sichtbaren Oberfläche ansetzenden Erklärungsbemühungen meist unbefriedigend auszufallen pflegen. Schließlich hoffe ich auch, das Wesen der abendländischen Gesellschaften, die sich mit Hilfe der autoritären Erziehung so hartnäckig (evolutionslos) reproduzieren, weiter zu erhellen.

Werfen wir einen nüchternen Blick auf die Österreicher: Strotzen wir vor Selbstwertgefühl, oder sind wir nicht in der großen Mehrheit würdige Deix-Modelle? Gäbe es keine notleidende Alpenvolksseele, worüber hat dann Erwin Ringel geschrieben? Überspitzt formuliert gleicht das Postnaziösterreich einer Truppe verkrüppelter Seelen mit prominenten Clubs von Schizophrenen, Neurotikern, Psychotikern, Paranoiden, Depressiven und Selbstmördern. Die „Normalen“ täten gut daran zu erkunden, warum und vor allem um wieviel sie der pathologischen Zone entgangen sind (laut Definitorik der heute gültigen Normalität, die nicht selten als der eigentliche Wahnsinn betrachtet werden muss). Ein Blick auf die „kollektive Pathologie“ oder eben die Charakterbeschreibung des typischen autoritär erzogenen Österreichers, dessen Kindheit alle Zutaten für einen gelungenen Schiffbruch in der Persönlichkeitsentwicklung enthält, mag den „Gesunden“ einladen, sich der Haaresbreite bewußt zu werden, die ihn vom Abgrund trennt, um einerseits den Abstand auf sichere Distanz zu vergrößern und andererseits endlich die Gradwandler und Absturzopfer zu verstehen – als nächstverwandte, vom eigenen Entwicklungsstand oft nur wenige Zentimeter entfernte Mitmenschen.

1. Unterlegenheit und Angst:
Da autoritäre Eltern ein fixes Bild davon zu haben pflegen, wie ihr Spross denn so gedeihen soll, wie sie ihn formen und schmieden wollen, kollidieren die Bedürfnisse notwendigerweise. In diesem Urkonflikt ist das Kind immer der Schwächere. Seine Schlüsselerfahrung ist Unterlegenheit, die daraus resultierende Hauptempfindung Angst (vor Strafe, Gewalt oder Liebesverlust). Die Angst wird zum wichtigsten Lebensantrieb der autoritär Erzogenen. Sie suchen nicht vorrangig Lust, sondern Unlustvermeidung. Eine „defensive Lebensführung“ kennzeichnet sie. Sie weichen all jenen Verhalten aus, welche die in ihnen weiterlebenden Eltern missbilligen würden. (Ängstlicher) Gehorsam eilt nicht nur voraus, er hält auch lange an.

2. Selbstverrat, Selbsthass:
Wenn das Kind lernt, sich an den Gefühlen, Gedanken, Werten der stärkeren Eltern zu orientieren, unterdrückt es das eigene Innenleben: es begeht Selbstverrat, der seinerseits Selbsthass auslöst. Wenn ich mir verbiete, so zu sein, wie ich bin (und sei es nur aus Furcht vor Strafe oder Liebesverlust), kann ich nicht mein Freund sein.

3. Verlust von Autonomie, Anpassung, Gehorsam:
Anstatt also das Meine zu leben (Autonomie), dränge ich es zurück und nehme das Fremde herein (Heteronomie). Ich verlerne, in mich hineinzuhorchen und achte bald nur mehr darauf, was von außen kommt. Ich passe mich an und lege den Grundstein für meinen Gehorsam, den ich jederzeit zu leisten bereit bin, wenn ich nur im Gegenzug mit der elterlichen Liebe rechnen kann.

25 Gründe gegen das Privatauto (1997)

1. Stiller Krieg
Jährlicher Tod von über tausend Österreichern. Zwischen 1960 und 2000 starben über 75.000 Menschen auf Österreichs Straßen, mehr als zwei Millionen wurden verletzt. Während die Zahl der Toten von durchschnittlich 2.500 in den siebziger Jahren auf 1.250 in den Neunzigern gesunken ist, steigt die der Verletzten wieder an – auf 56.000 pro Jahr. Kein anderes Sozialverhalten von dieser Gefährlichkeit würde gebilligt werden. Kein anderes Sozialverhalten von dieser Tödlichkeit dürfte beworben werden. Zu jedem anderen Sozialverhalten mit so vielen Opfern würde man fieberhaft Alternativen suchen. Auf den Straßen der EU herrscht Krieg. Jährlich 45.000 tote Zivilisten, darunter Frauen und Kinder. Nur: Dieser Krieg ist nicht in den Medien. Er ist Alltag.

Weltweit sterben jährlich 1,2 Millionen Menschen im Verkehr. 20 bis 50 Millionen
werden schwer verletzt. In den Industrieländern ist die Zahl rückläufig, in China stieg sie seit 1975 um 250 Prozent.

Die erste Verkehrstote war die Britin Bridget Driscoll. Die 44-jährige Mutter von 2 Kindern wurde am 17. August 1896 von einem Auto eines jungen Mannes in London erfasst und starb. Der Motorwagen hatte AugenzeugInnen zufolge eine ‘ungeheure Geschwindigkeit’ mit knapp 13 km/h rund die doppelte, für die er angelegt war. Der junge Fahrer wollte einer Dame imponieren. Der Untersuchungsrichter mahnte damals: ‘So etwas darf nie wieder passieren.’

2. Fahrlässiger Mord?
Die Autofahrer bringen sich nur gegenseitig um. Jeder, der da mitmacht, ist selbst schuld. Sagen die Autofahrer. Zahlen? 1961-1966 starben 2825 Autofahrer auf Österreichs Straßen. Und 3718 Fußgänger! (57.000 wurden überfahren, ohne zu sterben.) Wenn heute nicht mehr so viele Fußgänger umgebracht werden, dann nicht, weil die Gefahr abgenommen hätte, sondern weil immer weniger Menschen es noch wagen, zu Fuß unterwegs zu sein und, so sie es dennoch tun, inzwischen höllisch aufpassen und siebenmal links und rechts schauen, bevor sie sich mit radikal eingeschränkter Bewegungsfreiheit weitertrauen. (Das Risiko pro Kopf steigt weiter an.) Von fahrlässiger (Fahr lässig!) Tötung zu sprechen halte ich für verharmlosend, weil das Überfahren von Menschen durch Autofahrer System hat und somit jeder, der sich hinter das Lenkrad klemmt, weiß, dass er damit das Leben von Fußgängern gefährdet, und welcher Lenker, der plötzlich jemanden unter den Rädern hat, hätte sich träumen lassen, daß es eines Tages ihm ‘passieren’ würde? Das In-Kauf-Nehmen von Risken bedeutet die volle Verantwortung. Das Überfahren und Verletzen von nach wie vor 5.000 Fußgängern (1996) ist eine kollektive Schuld aller österreichischen Autofahrer, an der man sich beteiligt, sobald man ins Auto steigt. Dann erst kommen die anderen Autofahrer (1996: 625 Tote und 31.000 Verletzte). An drei Viertel der Unfälle, bei denen Fußgänger getötet werden, sind laut Justiz die Autofahrer schuld.

3. Systemische Massentötung
Nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren. In Spanien sind es jedes Jahr über 10
Millionen Wirbeltiere (auf Österreich tiefgerechnet: 2 Millionen). Insekten sind da nicht dabei, aber Katzen, Frösche, Igeln, Füchse, Rehe, Luchse und ab und zu eine Kuh.

4. Treibhauseffekt
Die Biosphäre ist imstande, pro Mensch und Jahr 2 Tonnen Kohlendioxid (CO2) aufzunehmen. Die ‘entwickelten’ Nationen emittieren ein Vielfaches – der durchschnittliche Österreicher beispielsweise 7 Tonnen por Jahr -, weshalb die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ansteigt (um mehr als ein Drittel seit Beginn des Industriezeitalters). Die Autofahrer blasen allein beim Herumfahren mehr als 2 Tonnen in die Luft (durchschnittlicher Benzinverbrauch: 7,5 Liter; durchschnittliche Jahreskilometerleistung: 12.000 Kilometer).

Welcher Autofahrer aber denkt an die Menschen in Bangladesh oder auf den Malediven, deren Lebensraum akut von Überschwemmung bedroht ist? Oder an die Opfer von Wirbelstürmen, Sintflutregen und Dürrekatastrophen, die das durcheinandergebrachte Klima fordert.
Seit 1990, dem Basisjahr für die Reduktion der Treibhausgase nach dem Kioto-
Vertrag, stiegen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Österreich um sage und
schreibe 62 Prozent (2003).

Neben CO2 kommt auch Distickstoffmonoxid (N2O), besser bekannt als Lachgas, ungeschoren aus den Katalysatoren (ebenso wie das Kohlendioxid, dessen Menge der Kat sogar erhöht). Lachgas ist 310mal treibhauswirksamer als CO2. Aber bisher in den Klimastatistiken nicht berücksichtigt.

5. Vorbild Norden?
Vom Kantschen Imperativ könnte man ableiten, dass man nur solche Verhaltensweisen wählen solle, die global nachhaltig sind, das heißt, die von allen Menschen – und nicht einer reichen Elite im Norden – gewählt werden können, ohne dass der Planet davon Schaden nimmt. Autofahren geht sich bei weitem nicht für alle Menschen aus. Schon jetzt (lediglich Fünftel der Menschheit ist motorisiert) ist es zuviel (Treibhauseffekt). Dazu kommt Vorbildwirkung, die der Norden auf den Süden ausübt. Wenn alle Chinesen, Inder, Nigerianer und Südamerikaner auch autofahren wollen, dann Gute Nacht, Planet. (Würde sich der Lebensstil Deutschlands auf den gesamten Globus ausbreiten, dann käme es zur Versechsfachung der globalen Autoflotte von derzeit 500 Millionen auf drei Milliarden.)

6. Saurer Regen und Waldsterben bzw. Gebäudefraß
Aus den Auspuffen der Autos kommen nicht nur Treibhausgase wie das CO2, das selbst kein direkter Schadstoff ist (es kommt ohnehin in der Atmosphäre vor), sondern auch Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxide (NOx), die, mit Wasser vermischt, Säuren bilden und den Regen sauer werden lassen. Der tötet den Wald, aber auch Wiesen und Seen. In den Städten frisst er an Gebäuden und Denkmälern.

7. Bodennahes Ozon (Sommersmog) und Asthma
Gemeinsam mit den Stickoxiden sind die Kohlenwasserstoffe, die ebenfalls den Auspuffen entströmen, Vorläufersubstanzen für bodennahes Ozon, das sehr aggressiv ist (es wirkt oxidierend) und unter anderem alle Schleimhäute angreift. In den Städten der Industrienationen leiden bis zu 15% aller Kinder an chronischem Asthma. In Salzburg sind es 3 beispielsweise 8%. Von den übrigen Atemwegserkrankungen, von Husten bis Bronchitis, ist die Bevölkerung flächendeckend betroffen. Man könnte mit Augenbrennen und sonstigen ‘kleineren’ Beeinträchtigungen der Gesundheit eine lange Liste erstellen. Die sonst recht ausgeprägte Sorge um die Kleinen kommt beim Thema Auto nicht zum Zug.

8. Krebserregende Schadstoffe
Es seien nur zwei ‘prominente’ Krebserreger im Benzinabgas genannt: Kohlenmonoxid und Benzol. Sie gehören zu einer Summe von ‘Umweltgiften’, die zusammen das Krebsrisiko bei den Menschen in den Industrienationen deutlich erhöhen.

9. Noch mal 2400 Tote pro Jahr
Nach neuesten Zahlen der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, sterben in Österreich jährlich 2400 Menschen, also mehr als doppelte so viele, wie auf dem Schlachtfeld Straße umkommen, durch verkehrsbedingte Luftschadstoffe. Wie soll man dass nennen. 2400-fache fahrlässige Tötung?

10. Schwermetalle
Blei, Zink, Kadmium, … alles, was die Natur nicht begehrt, beschert ihr jeder Autofahrer bei jeder Autofahrt. Schwermetalle sind hochgiftig, aber unvermeidlich, wenn man ‘freie Fahrt’ für sich in Anspruch nimmt.

11. Lärm
70% der Österreicher besitzen einen Führerschein, 35% ein Auto. Dieses Drittel bestimmt die Lebensqualität aller. Senkt sie. Die Wohnungen am Wiener Gürtel waren einst 1-A-Quartiere. Heute nähern sie sich dem Substandard. Der Grund: Fast 24 Stunden Dauerlärm (und Gestank). Dieselben Probleme gibt es noch in den hintersten Gebirgstälern. Die Tiroler Transitgegner wissen ein Lied davon zu weinen.

12. Freiheitsraub
Der, der Auto fährt, gewinnt an Freiheit. Wenn er nicht gerade im Superstau steckt. Oder seinen Wohnblock zum vierten Mal umkreist, weil sich partout keine Parklücke öffnen will. Aber er nimmt allen Nichtautofahrern, den ‘Schwachen’ (Senioren, Kindern, nichterwerbstätige Frauen), bedeutend mehr Freiheit, als er für sich erkämpft: a) Immer mehr Ziele werden autogerecht gestaltet, vom Shopping-Zentrum bis zum Reihenhaus. Wer nicht motorisiert ist, hat Pech gehabt, wird immobil. b) Die Nichtmotorisierten werden zum Erreichen dieser Ziele von den Motorisierten abhängig. Zum Teil werden sie auch von den neuen Autofahrer-Zielen abhängig, wenn zum Beispiel der Greisler im Bezirk zusperren muss, weil er mit den Preisen des ausgelagerten Supermarktes nicht mithalten kann. Die Zahl der Nahversorger in Österreich hat sich seit den siebziger Jahren halbiert. c) Besonders abhängig werden Kinder von ihren Eltern bzw. vom Kindermädchen bis etwa zum siebten oder achten Lebensjahr. Allein ist es außer Haus schlicht zu gefährlich. Die Nintendo- Generation kann als ‘Erfolg’ einer Elterngeneration gewertet werden, die vermeint, ohne Auto nicht mobil sein zu können. d) Das Auto braucht enorm viel Platz. Den haben dann Fußgänger, Radfahrer, spielende Kinder oder spazierende Senioren nicht mehr zur Verfügung. 4 e) Schaffung von ‘Angsträumen’. Gefährlich wird es auch für Frauen, die aufgrund der Dominanz des Autos auf der Oberfläche durch dunkle und unübersichtliche Fußgängertunnels durch müssen. Besonders unangenehm für FußgängerInnen ist beispielsweise die Matzleinsdorfer Passage in Wien. Wo das Auto regiert, muss der Fußgänger unter die Erde. f) Wenn die Autos alles verstopfen, kommt auch der öffentliche Verkehr nicht weiter. Busse stecken ebenso im Stau der Privatautos wie Straßenbahnen. Die Nichtautofahrer müssen trotz verantwortungsvollem Mobilitätsverhalten büßen. g) Die Behörden gehen von der Selbstverständlichkeit des Autobesitzes aus und versorgen den ‘Rest’ der Bevölkerung gerade mit dem notwendigen Minimum an öffentlichem Verkehr. Sie lassen die Öffis vom Auto wegkonkurrieren. Dagegen werden die (heiligen) ‘Melkkühe der Nation’ von der Gesamtheit aller Steuerzahler (auch den Nicht-Autofahrern) mit jährlich 55 Milliarden Schilling subventioniert (nach Berechnungen der EU-Kommission; Staukosten und Treibhauseffekt sind darin noch gar nicht berücksichtigt). h) Ebensowenig berücksichtigt, aber alltäglich ist das Bespritzen der Fußgänger durch die vorbeirasenden Autos bei Regenwetter. Das Gefühl der Schutzlosigkeit, Ohnmacht und Wut (ganz abgesehen von den Reinigungskosten) wird von Autofahrern selten einkalkuliert.

13. Eisen
In den Autos steckt jede Menge Blech. Blech ist dünnes Eisen. Woher kommt das eigentlich? Zum Teil aus Schweden, zum Großteil aber aus dem Brasilien, dessen Regierung den Erzförderfirmen erlaubte, eine 800.000 km2 (die zehnfache Fläche Österreichs) große Wunde in den amazonischen Regenwald zu schlagen, um hochwertiges Eisenerz herauszubaggern. Nicht nur der Wald wird zerstört, auch indigene Völker werden vertrieben, Flüsse vergiftet und noch mehr Bäume gerodet und verbrannt bei der Eisenverhüttung. Toter Wald, vertriebene Menschen, vergiftete Flüsse, damit wir Auto fahren können? Nein, danke!

14. Müll
Derzeit beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines österreichischen Autos 10 Jahre.
Rezykliert wird ein Bruchteil. Der Rest ist Mist. Darunter Sperr-, Sonder- und Giftmüll. Jährlich drängen 350.000 Pkw-Wracks auf die nationalen Autofriedhöfe. Nur kompostieren Blechleichen dummerweise nicht.

15. Kriegsgrund Auto
Benzin wird bekanntlich aus Erdöl gemacht, das bekanntlich nicht überall in Hülle und Fülle vorkommt. Ohne benzindurstige Autos gäbe es keine Ölkrisen und darauffolgende Weltwirtschaftskrisen, geschweige den Golfkrisen mit Golfkriegen. Der Öl-gegen-Waffen-Tausch würde ebenfalls ein Ende finden. (In Österreich verbraucht der Verkehr zwei Drittel aller Mineralölprodukte.)

16. Negative Handelsbilanz
Österreich ist ein Nettoimporteur von Autos, Zubehör, Ersatzteilen und Treibstoff. Insgesamt reißt das Privat-Kfz einen Krater von 27 Milliarden Schilling in die österreichische Außenhandelsbilanz.

17. Arbeitsplätze
Was aus dem Ausland importiert wird, verhindert hierzulande Arbeitsplätze. Würde sich Österreich ein luxuriöses öffentliches Verkehrssystem basteln, bedeutete das einen gewaltigen Aufschwung am Inlandsarbeitsmarkt, mitsamt dem dazugehörigen Aufschwung der Binnenwirtschaft (endlich ökologisch begrüßenswertes Wachstum, noch dazu gekoppelt an Beschäftigungswachstum). Eine erste diesbezügliche Studie kommt aus Deutschland: Der Umstieg von einem autozentrierten auf ein öffentliches Verkehrssystem brächte demnach 300.000 Arbeitsplätze netto, das heißt, die Verluste in der Automobilindustrie schon abgezogen. Deren Personalstände schrumpfen übrigens durch Globalisierung und Rationalisierung um die Wette. Gerade noch jeder 23. Industriearbeitsplatz Deutschlands hängt am Auto.

18. Autobahnen zerstören Arbeitsplätze
Das Autobahnennetz hat sich seit 1980 verdoppelt. Die Arbeitslosigkeit auch. Autobahnen zerstören Arbeitsplätze, weil sie größere Wirtschaftsstrukturen schaffen. Je größer aber Wirtschaftsstrukturen sind, desto ‘effizienter’ sind sie im Sinne, dass sie weniger Arbeitskräfte benötigen für die zentrale Massenproduktion.

19. Zersiedelung und Raumdehnung
Autobahnen zerreißen Räume. Städte zerfleddern in den Außenbezirken, was den peripheren Verkehr explosionsartig zunehmen lässt. Wenn man über ein schnelles Auto verfügt, kann man im hintersten Waldwinkel auch noch wohnen, weil man eh mit einem kurzen Tritt auf’s Gaspedal in der nächsten Stadt ist. Straßen dehnen Räume, weil Autofahrer durch höhere Geschwindigkeiten in gleicher Zeit weitere Wege zurücklegen. Die mobil Schwachen (Fußgänger, Radfahrer) bleiben dabei auf der Strecke. Der Öffentliche Verkehrsverbund ist nur ein ungenügendes und lückenreiches Auffangnetz für sie. Nähe und Kleinstrukturen kann er nicht retten, solange Auto und Öffis parallel gefördert werden. Die großen spanischen Städte haben in den letzten 30 Jahren mehr Fläche verschlungen als in ihrer gesamten Geschichte davor.

20. Am Auto orientierte Stadtplanung
Das Auto diktiert, gibt den Ton an und die Struktur vor. Stadterweiterung orientiert sich ausschließlich am Auto: Reihenhäuser im Grünen, Shopping-Cities auf der Wiese, ausgelagerte Industriebetriebe mit x-hundert Parkplätzen, Sport- und Freizeitinfrastrukturen ohne befriedigende Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz.

21. Raumraub und Raumzerschneidung
Autos brauchen Platz. Kinderspielplätze werden durch Parkplätze ersetzt. Städtischer Wohnund Erholungsraum weicht zweiten und dritten Fahrspuren, Autobahnen und Schnellstraßen(knäuel) zerschneiden Landschaften. Ganze Berge werden gefesselt (mit Höhenstraßen). Drei Prozent des Staatsgebietes sind mit Verkehrsflächen zugepflastert. 6 Der Zerschneidungsgrad ist so hoch, dass die österreichische Landschaft (und die Ökosysteme) alle 700 Meter von einer Straße unterbrochen werden.

22. Landschaftsverschandelung
Egal, ob Autobahnkleeblätter, urbane Rennstrecken (etwa der Laaer Berg-Tunnel) oder skelettartige Monsterbrücken in engen Gebirgstälern: Autogerechte Verkehrsinfrastrukturen tragen nicht zur Erhöhung der Landschaftsästhetik bei.

23. Geschwindigkeit I
90% aller mit dem Auto gefahrenen Wege sind kürzer als 7 Kilometer. Bis zu 5 Kilometern ist man in der Stadt von Tür zu Tür mit dem Fahrrad schneller. Wegen der Staus, der Parkplatzsuche, des Tankens, …

24. Geschwindigkeit II
Wenn man die Arbeitszeit, die nötig ist, um das Auto mit all seinen Nebenkosten zu erwerben, zur reinen Wegzeit addiert, dann wird unser privater Flitzer so langsam wie das Fahrrad, oft wie der Fußgänger. Die Rechnung hat Ähnlichkeit mit der Legende vom urlaubenden Industriellen, der dem am Strand liegenden Fischer vorschwärmt, dass er, wenn er doppelt soviel arbeitete, sich ein größere Flotte und in weiterer Folge Urlaub am Strand leisten könnte.

25. Ineffizienz
Das durchschnittliche Auto ist mit 1,3 Personen chronisch unterbesetzt. Dafür werden über eine Tonne Materialien mitangetrieben und herumgekarrt. Der energetische Wirkungsgrad liegt bei einem Prozent. 99% gehen in der Produktion, beim Antrieb des Fahrgehäuses, beim Bremsen, durch Reifenabrieb und Luftwiderstand verloren. Das passt weder zu einem ökologisch-buddhistischen Lebensstil (‘geringstmögliche Spuren hinterlassen’) noch zu der von der Ökonomie betriebene Effizienzhysterie.

Abschlußstatement: Statussymbol und Rollenfestschreibung

Inmitten der Treibhausdebatte, die eigentlich von besonnenen und verantwortungsbewussten Verkehrsministern geführt werden sollte, welche, wenn schon nicht auf das Ausscheiden des Autos aus dem Transportmittel-Pool, so doch auf die ehebaldigste Generalisierung des Drei- Liter-Autos dringen (Franz Vranzitzky hatte 1990 eine dahingehende Vision), verkündet Mercedes großspurig, ab 2002 einen Superluxusschlitten, weit jenseits der S-Klasse, auf den Markt zu werfen. Damit die Stinkreichen den Pöbel sichtbar in die Schranken weisen können. Das Auto dient den Reichen dazu, die Armen zu demütigen und den Männern, ihre Weibchen als Beilage auf dem Nebensitz herumzupräsentieren. Und diese nehmen gerne Platz.

(1997)

(Update mit Quellen 2022 geplant)