Studie um Studie erhärtet sich, was sich schon bisher immer klarer abgezeichnet hatte: Natürliche Immunität (durch Genesung) ist der künstlichen Immunität (via Impfung) tendenziell überlegen, sowohl in der Dauer des Immunschutzes als auch in der Breite der Abwehr. Zum einen hat John Campbell eine Reihe aktueller Studien zusammengetragen und ausgewertet (John Campbell, 21. Juni 2022). Anhand von fünf Studien arbeitet er heraus, dass natürliche Immunität zumindest nicht schlechter schlechter wirkt als künstliche, sondern eher länger und breiter. Deshalb müsste sie mit der Impfung gleichgestellt werden – und Genesene von restriktiven Maßnahmen und Impfpflichten ausgenommen werden. Und der Genesenenstatus müsste viel ambitionierter erhoben werden, auch mit Gedächtniszellentests, nicht nur mit Antikörpertests. Eine Impfpflicht für Genesene mit natürlicher Immunität hingegen müsste auf „zwingenden Beweisen“ ihrer Vorteilhaftigkeit beruhen, was er als klar nicht gegeben ansieht. Hier sind die fünf Studien:

Fazit: Eine Impfpflicht habe hohe Kosten, nicht-triviale Risken und beschneide Grundrechte massiv und unverhältnismäßig.

Im deutschen Ärzteblatt kam eine Durchsicht des aktuellen Studienbestands zur Schutzwirkung Genesener vor Reinfektion zu folgendem Ergebnis: „Genesene sind nicht nur mindestens ebenso wirksam vor Reinfektionen geschützt wie ausreichend geimpfte oder geboosterte Personen. Der Schutz hält überdies auch deutlich länger an: je nach Studie, die man konsultiert, wird die Frist auf 8–10 oder sogar 13 Monate beziffert.“ Das Potenzial der Genesenen wird als „Joker“ in der Impfstrategie bezeichnet (Ärzteblatt 5/2022).

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Vor diesem Hintergrund frage ich, an wen die österreichische Bundesregierung glaubt, die eine Genesung nicht mehr als immunologisches Ereignis anerkennt, obwohl die Kombination aus Genesung und Impfung derzeit als bestmöglicher Schutz gilt. Zukünftig werden nur noch Impfungen als immunologische Ereignisse anerkannt – also nur noch künstliche, und keine natürlichen mehr (Sozialministerium, 1. Juni 2022). Welche Studien oder Erkenntnisse sind die Basis dieser Entscheidung, die jeder wissenschaftlichen Evidenz, die mir vorliegt, widerspricht? Außerdem frage ich mich, warum der Genesenenstatus in Österreich weiterhin lediglich 6 Monate gilt, obwohl die Evidenz inzwischen auf einen deutlich längeren Schutz hindeutet?

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Zum anderen hat die deutsche STIKO am 22. Mai 2022 ihre Position geändert und, anders als bisher, die Impfung gegen Covid-19 von gesunden 5- bis 11-jährigen Kindern (ohne Vorerkrankungen) empfohlen. Der kritischen Schrappe-Gruppe ist aufgefallen, dass die Studien, die dem Hauptargument für diese Entscheidung zugrunde liegen, der Schaffung einer „hybriden Immunität“, sich ausschließlich auf Erwachsene beziehen (!). Aus epidemiologischer Sicht ergebe sich keine Evidenz für die Impfung der 5- bis 11-Jährigen:

  • Todesfälle bei gesunden Kindern in dieser Altersgruppe gab es in Deutschland bislang keine,
  • die Hospitalisierungsrate ist die niedrigste unter allen Altersgruppen,
  • eine Herdenimmunität lässt sich mit der Impfung nicht erreichen,
  • der Krankheitserreger lässt sich nicht eliminieren (Schrappe-Gruppe, 23. Juni 2022).

Damit wird aus einer medizinischen Indikation eine politisch begründete Empfehlung“, kommentiert Martin Sprenger, Mitglied der Gruppe (Martin Sprenger, 25. Juni 2022).

Infolge dieser Empfehlung drohe nun verstärkt die Diskriminierung nicht geimpfter Kinder, die ausgegrenzt und benachteiligt werden. Cui bono?

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Einige Kolleg*innen und Freund*innen sagen mir, dass sie a) „an die Wissenschaft glauben“ und b) es bedenklich finden, wenn durch Kritik am Pandemiemanagement das Vertrauen in offizielle Institutionen geschwächt werde.

Meine Kritik ist jedoch ihr Punkt a): Die offiziellen Institutionen, in den o. g. Beispielen die österreichische Bundesregierung und die deutsche STIKO, missachten mit ihren Entscheidungen „die Wissenschaft“, weshalb sie es sind, die ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben, und nicht Kritiker*innen, die zur Recht darauf hinweisen, dass solche Entscheidungen einer transparenten und überzeugenden wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

Die Behörden könnten das Vertrauen in sie stärken, indem sie konsequent wissenschaftlich arbeiten. In den konkreten Beispielen bedeutet dies, die Wirkung und Funktion des natürlichen menschlichen Immunsystems anzuerkennen und in ihren Entscheidungen beim Pandemiemanagement zu berücksichtigen.

Oder: Eine Impfung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe (für die eine Covid-19-Erkrankung im Regelfall kein relevantes Gesundheitsrisiko darstellt, die Letalitätsrate liegt hier bei 0,0004% der Infizierten) nur auf Basis von Evidenz empfiehlt, und falls diese nicht vorliegen sollte, konsequenter Weise keine Empfehlung ausspricht.