Zunächst die Überraschung. In Gibraltar ist die Bevölkerung angeblich vollständig geimpft, dennoch liegt die 7-Tages-Inzidenz bei 600. Die Süddeutsche Zeitung klärt auf: Es wurden ledliglich doppelt so viele Impfdosen verabreicht, wie es Einwohner*innen gibt, darunter wurden aber auch Pendler*innen aus Spanien mitgezählt, die 25% der einheimischen Bevölkerung ausmachen.
Weiter informiert die Süddeutsche, dass von 18 positiven Tests letzten Sonntag zehn vollgeimpfte Personen betroffen sind und acht Ungeimpfte.
Jetzt würde interessieren, wie hoch die Impfquote in der Bevölkerung ist – doch diese Schlüsselzahl, um aus dem Verhältnis der Geimpften und nicht Geimpften an den positiv Getesteten genauere Schlüsse über die (Nicht-)Wirksamkeit der Impfung zu ziehen, wird nicht gebracht. Es wird auch nicht erklärt, warum diese Zahl nicht gebracht wird, stattdessen schreibt die Autor*in, dass die Zahl der tatsächlich Geimpften an der Bevölkerung „deutlich unter hundert Prozent“ liege. Eine solche „Information“ macht ratlos. Ich schließe somit von 25% Pendler*innen unter den Geimpften auf eine Durchimpfungsrate von lediglich 75% in der Bevölkerung.
Die Schlussfolgerung der Autor*in, nämlich dass 10 von 18 positiven Tests bei den Vollgeimpften „kein Hinweis auf eine schlechte Schutzwirkung der Impfung“ sei, erschließt sich mir nicht. Wenn 55% Vollgeimpfte unter den positiv Getesteten „kein [solcher] Hinweis“ sind, dann würde mich interessieren, ab welchem Prozentsatz – 60%, 75%, 90% Vollgeimpfte? – an den positiven PCR-Tests es denn nach der Meinung der Autorin ein „Hinweis“ auf schlechte Schutzwirkung wäre. Noch interessanter wäre eine Begründung für die von ihr definierte Schwelle. Denn dass es keine Schwelle gäbe, dass selbst 100% Vollgeimpfte unter den positiv Getesteten kein Hinweis auf eine schlechte Schutzwirkung der Impfung wären, scheint ja nicht die Botschaft der Autorin zu sein.
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In Madagaskar sind die Covid-19-Zahlen trotz einer dramatischen Hungersituation erstaunlich niedrig. Die Bevölkerung konsumiert einen Kräutertee auf Basis des einjährigen Beifußes, berichten diverse Medien. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu sind bisher keine bekannt. Die internationale Skepsis ist hoch. Der Kurier titelt, dass „Kräuter nicht mehr helfen“. Als Beleg schreibt er: „Die Infektionszahlen steigen auch in Madagaskar.“ Es würde interessieren, wie stark – der Artikel bietet keinerlei Zahlen. Ein Blick auf Worldometers zeigt, dass die Infektionszahlen in Madagaskar seit Ende April kontinuierlich sinken!
Die Information, dass der Präsident nun auch Impfungen bestellt habe, wird als Beleg für die Unwirksamkeit des Tees gewertet. Seriös wäre es, die angebliche Wirkungslosigkeit des Tees, die es bis in den Titel geschafft hat, mit Zahlen zu belegen. Laut Ourworldindata [Daten der Johns Hopkins University, Covid-19 Data Explorer, Metric=Confirmed Deaths, Interval=Cumulative, Relative to Population, Madagaskar und Europäische Union anklicken] liegt Madagaskar mit bisher 34 Toten je Million Einwohner*innen um den Faktor 50 unter dem EU-Schnitt von 1.680. Sind 50mal weniger Tote relativ zur Einwohner*innenzahl ein Beweis dafür, dass „Kräuter nicht mehr helfen“?
Lieber Christian,
als politisch denkender und handelnder Mensch und Unterstützerin der Gemeinwohlökonomie-Idee macht mir die – durch Corona verstärkt – immer mehr zunehmende Spaltung der Gesellschaft genauso Sorge wie dir und ich finde es gut, dass ihr eure Gedanken und Ansichten zum Thema zu Papier gebracht habt. Vieles aus Kapitel 2 sehe ich nach dem ersten Durchlesen kritisch. Es bedarf, das muss mensch zugeben, einer Menge Energie und Zeit, sich die von euch genannten Quellen anzusehen und mit den Quellen der Maßnahmenverantwortlichen zu vergleichen und eigene Rückschlüsse zu ziehen. Auch ist eine naturwissenschaftliche bzw. wissenschaftliche Bildung Voraussetzung zum Verstehen einiger der Quellen. Letzeres traue ich mir zu, aber die Zeit der Analyse eures Textes habe ich mir bisher nicht genommen. Es wäre schön, mal digital mit vielen Interessierten – Maßnahmenbefürworter*innen und -kritiker*innen – die Einschätzungen und Vorschläge des Textes zu diskutieren. Gibt es da schon Ideen?
Das war die Einleitung: Eigentlich wollte ich nur eine Anmerkung zum Artikel aus der Süddeutschen Zeitung zu Gibraltar machen: Dort steht ja sinngemäß, dass trotz eines Anteils Geimpfter an den positiv Getesteten die Schutzwirkung der Impfung nicht in Frage gestellt sei. Das ist dann der Fall, wenn die positiv Getesteten keine oider keine schwerwiegenden Symptome aufweisen. Das allerdings kommt im Zeitungsartikel nicht raus: Die 10 Personen, die wegen schwerer Verläufe ins Krankenhaus mussten, waren es die ungeimpften (plus eine geimpfte Person)? Und welcher Art waren ihre „Vorerkrankungen“? Informierende Texte (in Zeitungen etc.) bieten häufig nicht alle zum Verständnis wichtigen Informationen. Deswegen müssen wir uns ja alle im Hinterfragen bzw. kritischen Mitdenken üben, um eigene Schlüsse ziehen zu können. Gemeinsames Überlegen und Diskutieren ist dabei nach meiner Erfahrung einfacher. Und mit dem Einüben kritischen Denkens sollte in der Schule begonnen werden!
Herzliche Grüße aus Hamburg
Petra