Dieses ORF-Tirol-Interview mit dem Innsbrucker Infektiologen Günter Weiss markiert für mich eine subtile Trendwende in der Berichterstattung des ORF: „Ob die WHO Corona als Pandemie bald für beendet erklärt und künftig quasi eine Endemie ausruft, ist für Weiss nicht so entscheidend. Dies sei vielmehr ein ‚Streit um des Kaisers Bart‘ (…) Mehr Sorgen als Corona machen Weiss derzeit andere respiratorische Infektionen, vor allem was den Druck auf die Spitalskapazitäten angeht. So sei man derzeit an der Klinik in der Akutversorgung mehr mit Influenza- und RSV-Infektionen konfrontiert als mit Corona (…) Eine Notwendigkeit für staatliche Zwangsmaßnahmen gebe es, sollte die Lage annähernd so bleiben, jedenfalls nicht mehr.“
Das Interview ist bei weitem nicht so pointiert wie jenes mit Franz Allerberger, dem ehemaligen Chef-Infektiologen der AGES, im profil vom 6. 12.: „Deswegen ist die Pandemie auch vorbei.“ Aber die Zeichen verdichten sich. Mit dem aus Tirol zugespielten Interview könnte die Pandemie nun auch im Narrativ des ORF zu Ende sein. Damit folgt ein Teil der „öffentlichen Vernunft“ der 2. Deklaration von Zukunft Jetzt von Mitte Oktober. Erneut hat sich gezeigt, dass kritische Beobachter*innen des Zeitgeschehens, die in den letzten zwei Jahren von den Leitmedien weitgehend unsichtbar gemacht wurden, richtig lagen. Es gab und gibt weiterhin Alternativen zu Lockdowns und Laufenlassen, zu Grundrechtseinschränkungen und Nichtstun, den scheinbar einzigen beiden Alternativen. Hier geht es zur 2. Deklaration von Zukunft JETZT vom 22. Oktober.
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Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die nun eine Aufarbeitung einfordern. In Österreich ist es vergleichsweise ruhig, Stimmen wie die von Martin Sprenger sind eher vereinzelt. In Deutschland ist das Panorama spannender. Die Berliner Zeitung, die schon seit längerem angenehm kontrastreich auch kritische Stimmen und Beiträge veröffentlicht, hat der Aufarbeitung nun gezielt eine Serie gewidmet, das hat Vorbildcharakter. Ich versuche mir probehalber vorzustellen, der „Standard“ oder der „Kurier“, der „Falter“ oder die „Furche“ eröffnen eine Reihe „Pandemie im Rückspiegel, Lehren aus dem Ausnahmezustand“ und lassen dort plurale kritische Stimmen zu Wort kommen – auch jene, die in den letzten 2,5 Jahren nicht oder kaum gehört und gedruckt wurden. Der ZDF hat aus Eigeninitiative ein Stück „Die fatale Bilanz der Pandemiepolitik“ beigesteuert. In der „Welt“ sprach sich die ehemalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder in sehr klarer Sprache für eine Aufarbeitung aus: „Vielleicht wird am Ende einer solchen ehrlichen Bilanz die Einsicht stehen, dass wir insgesamt mehr Leid verursacht als verhindert haben, dass der angerichtete Schaden den erreichten Nutzen überwiegt. Betrachtet man nur die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, bin ich davon überzeugt. Gesamtgesellschaftlich befürchte ich es. Aber egal, wie niederschmetternd das Ergebnis sein mag – ohne Aufarbeitung wird es nicht gehen.“ (Die Welt, 9. 12. 2022)
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